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Die Geschichte zwischen Oxbøl und dem IHS

 

Nach einiger Zeit des Gedanken Machens, der Vorbereitungen, der Filmerstellung und der Überlegung, welche Materialien wohl für das Museum in Oxbøl, Dänemark, das mit uns, dem Internationalen Haus Sonnenberg (IHS)  eine gemeinsame Geschichte teilt, die richtigen seien, war es nun endlich soweit:

Am Morgen des 18.09.2023 fahre ich nachts um 03.00 Uhr aus St. Andreasberg im Oberharz los, immer Richtung Norden, ca. 200 km sogar über Deutschland hinaus, nach Dänemark an die Nordseeküste. Im Gepäck zwei Bilder, eins vom Lager Oxbøl, das ich bei unseren Aufräumarbeiten im IHS gefunden hatte und eins von dem Landschulheim in Sonnenberg, in dem die erste Sonnenberg-Tagung 1949 stattgefunden hatte. Außerdem Materialien der neu gegründeten Stiftung Internationales Haus Sonnenberg, unseren von der Freiwilligen Catalina vollkommen neu und professionell  gestalteten Werbeflyer, unsere Jubiläumspostkarten zum 75. Geburtstag:

Im ganzen nächsten Jahr werden wir ihn im Rahmen vierer saisonal angelehnter Tagungen gebührend feiern. Am 07.06.2024 wird es dazu auch einen Festakt geben.  

Glücklicherweise komme ich trotz einiges an Wild, zum ersten Mal am Straßenrand eine Bache mit ihrem mitten auf der Fahrbahn verloren herumstehenden Frischlings, einiger Rehe sowie Füchsen, den Autobahnen und Straßen voller Baustellen und trotz Berufsverkehrs gut durch. Das ist etwas Besonderes in diesen Tagen und ich bin froh darüber. 

Der große Augenblick ist gekommen: Das Treffen mit John Jensen, dem Kurator des „Flugt“- Museums in Oxbøl, steht unmittelbar bevor. Durch unseren Freund des IHS, Herr Finn Sachman Rowold, der mit seinen Eltern als 9-jähriger Junge an der ersten Sonnenberg-Tagung in Sonnenberg teilgenommen hatte, kam der Kontakt zu ihm im Dezember letzten Jahres überhaupt erst zustande, nachdem meine Idee zu einer Art von Kooperation mit dem Museum geboren war.  

Ich sortiere in meiner Tasche nervös die weiteren Mitbringsel, auch drei der neu gestalteten Sonnenberg-Tassen mit einem Motiv aus einem Gästebuch von 1956, die heute immer noch sehr modern anmutenden und aufgrund der Farbwahl frischen Motivs einiger Menschen und warte auf ihn. 

Zuerst tasten wir uns gegenseitig ein wenig vor, denn es waren lediglich ein paar Mails hin- und hergeschrieben worden. Dann kommen wir jedoch schnell intensiv ins Gespräch und die Zeit vergeht im Nu.  

Als John Jensen einen weiteren Termin hat, nämlich einen Vortrag zu halten im sehr modern aufbereiteten und mit allen technischen Raffinessen ausgestatteten Museum, gleich hinter der Zwischenwand des Cafés, in dem wir jetzt sitzen, sehe ich mir das Museum „Flugt“ mit Hilfe des von einer freundlichen Mitarbeiterin ausgehändigten Audio – Guides in meiner Sprache an. Höre atemlos und betroffen die Beispielgeschichten mit zusätzlichen Informationen zu den einzelnen Ländern, aus welchen sich Menschen nach Dänemark aufgemacht hatten und immer noch aufmachen.  

Erschauernd und den Körper voller Gänsehaut aufgrund der teilweise nachdenklich machenden, verstörenden und doch auch hoffnungsvoll stimmenden „Reise durch das Museum“ in den Räumen des Original-Flüchtlingslagers, mit einem neuen, innen aus Holz sehr auffallenden verbindenden Elementes, das die Architektur des Lagers unterstreicht, außen aus rostigem Eisen gestaltet, zunächst abweisend wirkend und als das große Tor geöffnet worden ist, doch wiederum einladend wirkend. 

Ich brauche eine Weile, bis ich die anrührende Ausstellung für mich ein wenig sortiert und verarbeitet habe und mich wieder dem 2. Teil unseres Gesprächs widmen kann: Diese Arbeit der Verständigung zwischen den Völkern, den betroffenen Menschen Empathie und Schutz gewährend, ist immer noch so wichtig wie nach dem 2.Weltkrieg. Das wird mir, seit ich im Internationalen Haus Sonnenberg arbeite, und das sind inzwischen 16 Jahre, immer wieder intensiv bewusst.  

Auch hier an diesem Ort, an dem sich dänische und deutsche Pädagog:innen zusammengesetzt und überlegt hatten: Wie könnte es zustande gebracht werden, dass es zwingend in Deutschland, irgendwo, einen Ort der Verständigung geben sollte? Dort würde es möglich sein, sehr unterschiedliche Meinungen auszudiskutieren und zu beraten mit dem Ziel, dass sich so etwas wie Nationalsozialismus nicht mehr wiederholt. 

John Jensen seinerseits schenkt dem IHS vier auch in deutsche Sprache übersetzte Bücher für unsere kleine Museumsecke, die wir im IHS in der Halle A unsererseits mit den Materialien des „Flugt“ gestalten wollen, eins davon hat er sogar selbst geschrieben. Dazu ein verbindendes Plakat, auf dem zwei Hände und zwei Herzen zu sehen sind. Sie berühren sich und sind füreinander da, verbinden sich zu einem.   

Wir trinken Kaffee, teilen uns einen riesigen „Cookie“ der sehr gehaltvoll, knusprig und lecker ist und dann trennen wir uns- John Jensen sogar mit dem Versprechen, auf dem Sonnenberg einmal einen Vortrag zu halten, mit uns in Verbindung zu bleiben, jetzt, da wir uns auch persönlich kennen lernen konnten.  

Zum Schluss besuche ich die dem ehemaligen Lager angrenzende Kriegsgräberstätte, wo in mehreren kleineren Bereichen namentlich erwähnte Geflüchtete ihre letzte Ruhe fanden.  

Von diesem Ort geht überhaupt nicht die sonst für mich übliche wilde Unruhe aus, die mich erfasst, wenn ich solche Stätten besuche, als würden die Seelen der dort Begrabenen mir noch von den einstmals erlebten Schrecken erzählen wollen.  

Nein, hier ist es anders, es fühlt sich an, als ob sie hier wirklich auch ihre letzte Ruhe fanden, beschützt vom umgebenden Wald und der herrlichen Natur, in dem Wissen, dass ihnen die größtmögliche Achtung entgegengebracht worden ist, obwohl sie aus ihrem Ursprungsland geflüchtet waren und hier, in Dänemark, zumindest zeitweise eine neue Heimat gefunden hatten. 

von Sylvia Wiedemann 

 

(english version)

The history beween Oxbøl and IHS

 

After some time of thinking, preparing, filming and thinking about which materials would be the right ones for the museum in Oxbøl, Denmark, which shares a common history with us, the International House Sonnenberg (IHS), the time had finally come:

On the morning of the 18.09.2023 I drive off at night at 03.00 o’clock from St. Andreasberg in the Upper Harz, always in the direction of the north, about 200 km even beyond Germany, to Denmark on the North Sea coast. In my luggage two pictures, one of the Oxbøl camp, which I had found during our clean-up work at the IHS, and one of the country school home in Sonnenberg, where the first Sonnenberg meeting had taken place in 1949. Also, materials from the newly established Sonnenberg International House Foundation, our promotional flyer completely redesigned and professionally created by volunteer Catalina, our 75th anniversary postcards:

Throughout the next year, we will celebrate it in a fitting manner within the framework of four seasonally oriented conferences. On 07.06.2024 there will also be a ceremony to mark the occasion.

Fortunately, I come despite some game, for the first time on the roadside a sow with her in the middle of the road lost around standing Frischlings, some deer as well as foxes, the highways and roads full of construction sites and despite rush hour traffic well through. This is something special these days and I am glad about it.

The big moment has come: The meeting with John Jensen, curator of the „Flugt“ museum in Oxbøl, is imminent. Through our friend of the IHS, Mr. Finn Sachman Rowold, who had attended the first Sonnenberg meeting in Sonnenberg with his parents as a 9-year-old boy, the contact with him came about in the first place last December, after my idea for some kind of cooperation with the museum was born.

I nervously sort out the other souvenirs in my bag, including three of the newly designed Sonnenberg mugs with a motif from a guest book from 1956, which still seem very modern and, due to the choice of colors, fresh motifs of some people, and wait for him.

First we grope each other a little, because there had been only a few mails back and forth. Then, however, we quickly get talking intensively and the time passes in a flash.

When John Jensen has another appointment, namely to give a lecture in the very modern and with all technical refinements equipped museum, just behind the partition wall of the café in which we are now sitting, I look at the museum „Flugt“ in my language with the help of the audio – guide handed out by a friendly employee. Breathlessly and affectedly, I listen to the sample stories with additional information about the individual countries from which people had set out for Denmark and are still setting out.

Shivering and the body full of goose bumps due to the partly thought-provoking, disturbing and yet also hopeful „journey through the museum“ in the rooms of the original refugee camp, with a new, inside made of wood very striking connecting element, which underlines the architecture of the camp, outside made of rusty iron, at first seeming forbidding and when the big gate has been opened, but again seeming inviting.

I need a while until I have sorted and processed the touching exhibition for me a little and can devote myself again to the 2nd part of our conversation: This work of understanding between peoples, giving empathy and protection to the people concerned, is still as important as it was after World War 2. Since I have been working in the International House Sonnenberg, which is now 16 years, I have become intensely aware of this again and again.

Also here in this place, where Danish and German pedagogues sat down together and thought: How could it be brought about that there should be a place of understanding somewhere in Germany? There, it would be possible to discuss and deliberate very different opinions with the goal that something like National Socialism would no longer be repeated.

John Jensen, for his part, gives the IHS four books, also translated into German, for our small museum corner, which we want to create in the IHS in Hall A for our part with the materials of the „Flugt“, one of which he even wrote himself. In addition a connecting poster, on which two hands and two hearts are to be seen. They touch each other and are there for each other, join into one.

We drink coffee, share a huge „cookie“ which is very substantial, crispy and delicious and then we part – John Jensen even with the promise to give a lecture on the Sonnenberg one day, to stay in touch with us, now that we could also get to know each other personally.

Finally, I visit the war gravesite adjacent to the former camp, where named refugees found their final resting place in several smaller areas.

This place does not give off at all the usual wild restlessness that grips me when I visit such sites, as if the souls of those buried there still wanted to tell me about the horrors they once experienced.

No, here it is different, it feels as if they really found their final resting place here, protected by the surrounding forest and the beautiful nature, in the knowledge that they were shown the greatest possible respect, even though they had fled from their country of origin and found a new home here, in Denmark, at least temporarily.

from Sylvia Wiedemann