Du befindest Dich hier: Startseite / Sonnenberg / Wir über uns / Geschichte

Sonnenberg – mehr als ein Haus, weniger als ein Mythos

Das Internationale Haus Sonnenberg, die im Oberharz bei St. Andreasberg gelegene Bildungs- und Begegnungsstätte, geht auf eine Anfang 1949 zustande gekommene Initiative von dänischen und deutschen Lehrerinnen und Lehrern zurück. Unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse und Folgen des Nationalsozialismus und des 2. Weltkriegs traf man sich auf dem Sonnenberg, um nach neuen, wirksamen Lösungen im Sinne der Völkerverständigung und der Friedenssicherung zu suchen.

Die Verwirklichung der Menschenrechte, die über alle Grenzen hinaus gehende Solidarität von und mit anderen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, die Bereitschaft zu gesellschaftlicher Verantwortung und die dazu erforderliche Aufklärung und Bildung wurden Schwerpunkte der inhaltlichen Sonnenberg-Arbeit. Ein vorrangiges pädagogisches Anliegen war es dabei damals wie heute, junge Menschen in diese offene Kultur der Aufklärung, demokratischen Bildung und direkten Begegnung einzubeziehen.

Besonders in Zeiten des Kalten Kriegs und bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 bot das Internationale Haus Sonnenberg mit seinen friedens- und sicherheitspolitischen Tagungen eine der wenigen Möglichkeiten, dass sich im Sinne der Politik der kleinen Schritte und der Annäherung Vertreter von beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, manchmal auch namhafte Politiker, zu inoffiziellen Gesprächen trafen. Durch Wiederholung und Ausweitung der Treffen und Tagungen auf dem Sonnenberg und durch einen immer größer werdenden, auch international wachsenden Teilnehmer- und Interessentenkreis entstand über mehr als fünf Jahrzehnte hinweg ein fester Unterstützerkreis von zeitweise bis zu 5.000 Mitgliedern, die sich dem Sonnenberg und seiner Arbeit verbunden fühlten. Heute bestehen insgesamt 25 nationale Sonnenberg-Vereine weltweit, die zur International Sonnenberg Association (ISA) zusammen geschlossen sind. Den Schwerpunkt bilden die EU-Mitgliedsstaaten und die Länder Osteuropas.

Parallel dazu wuchs die Bildungs- und Begegnungsstätte Internationales Haus Sonnenberg auf, ein einzigartig mitten im Nationalpark Harz gelegenes Ensemble von acht teilweise miteinander verbundenen Wohn-, Bildungs- und Arbeitsgebäuden. Ihr auffallendes Merkmal sind die roten Holz- und schwarzen Schieferfassaden mit den weißen Tür- und Fensterrahmen.

Die Gebäude verbindet ein großzügig mit Wegen und Sitzmöglichkeiten ausgestatteter Steingarten, der in der wärmeren Jahreszeit die Gäste mit bunter Flora und Kleinfauna erfreut. Das von Wald umgebene Areal wird nach Süden durch eine naturbelassene Bergwiese ergänzt.

Seit Beginn 2004 ist der Sonnenberg-Kreis e. V. Träger der Arbeit im Internationalen Haus Sonnenberg. Er erfüllt mit seiner Arbeit ausschließlich gemeinnützige, kulturelle Zwecke. Unterstützt wird er von knapp 1.000
Mitgliedern. Er ist geistig und politisch unabhängig und dient – als anerkannte Heimvolkshochschule vom Land Niedersachsen durch öffentliche Mittel gefördert – sowohl der außerschulischen Erwachsenen- und Jugendbildung als auch der internationalen und interkulturellen Verständigung.

In den in eigener pädagogischer Verantwortung stehenden Veranstaltungen des Hauses informieren sich die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer – von möglicherweise unterschiedlichen Standpunkten her kommend – über gemeinsam berührende Fragen und Probleme aus Geschichte, Gesellschaft und Politik, Mensch und Familie, Bildung und Kultur, Arbeitswelt und Freizeit oder Wirtschaft und Umwelt, um am Ende gemeinsame Antworten, Lösungen und Ergebnisse zu finden. Methodenvielfalt und Eigenarbeit in Gruppen sind besondere pädagogische Merkmale.

 

Jahresringe des Sonnenbergs

Eine Chronologie

 

Die Jahresringe des IHS

 

Als es begann…. Die erste deutsch-dänische Begegnung in Deutschland

Zitate aus: Die „Pionierzeit“ von Dänemark aus gesehen (1945-1949) von Karl Rowold (Quelle: Aus der Frühzeit des Sonnenbergs; Herausgeber Internationales Haus Sonnenberg 1985)

Der wärmste Fürsprecher, Förderer und auch eigentliche Initiator eines engen Zusammenwirkens deutscher und dänischer Pädagogen – im weiteren Sinne dieses Wortes – war Walter Schulze, der dann auch Anfang 1948 Dänemark verließ und in Deutschland zielbewußt an der Vorbereitung der ersten deutsch-dänischen Begegnung arbeitete, die schließlich im Februar 1949 im Schullandheim Sonnenberg Wirklichkeit wurde. Mit der Wahl dieses Treffpunktes erhielt unser Kreis nunmehr auch seinen Namen: SONNENBERG.

Schulbaracke bei Oxbøl, Dänemark: Eine Geburtsstätte des „Sonnengerg-Gedankens“ (Schulleiter: Gustav Schultze-Altenhof, Schulinspektor: Walter Schulze) 1946/45 – Zeichnung: H. Naß

Auf dänischer Seite begannen 1948 unsere in der Flüchtlingsarbeit nach und nach gewonnenen Freunde, von denen – das sei hier besonders unterstrichen – mehrere aktiv im Widerstandskampf gegen den Nationalsozialismus gestanden und einige auch bittere Zeiten in deutschen Konzentrationslagern verbracht hatten, für die Beteiligung an dieser ersten dänisch-deutschen Begegnung in Deutschland zu werben. Das sie dabei oft auf heftigen Widerstand stießen, muß auf dem Hintergrund der deutschen Besetzung von 1940-1945, deren Wunden 1949 natürlich noch nicht verheilt waren, gesehen werden.

Dieser Einsatz unserer dänischen Freunde kann daher nicht hoch genug eingeschätzt werden. Stellvertretend für alle diese mutigen Pioniere möchte ich hier zwei Namen nennen: Claus Moldt, der einer der Beauftragten der dänischen Regierung für die Schul-, Bildungs- und Kulturarbeit in den deutschen Flüchtlingslagern war und Christian Warncke, den Leiter der Zentralabteilung für das gesamt Unterrichtswesen in den Lagern. Sie und viele andere wandten sich an ihre Lehrerkollegen mit ihrem Anliegen unter Einsatz ihres Ansehens, ihrer Ämter und der Erfahrungen, die sie in ihrer Tätigkeit in den Flüchtlingslagern gemacht hatten. Als Hauptmotiv für ein dänisch-deutsches Zusammenwirken machten sie ihre Grundeinstellung geltend, dass sie in ihrem Widerstand nicht nur gegen den Ungeist des Nationalsozialismus, sondern gleichzeitig für Demokratie gekämpft hatten, und dass dies nicht nur isoliert für Dänemark, sondern im Interesse einer künftigen, globalen Sicherung des Friedens in der Welt auch für den Nachbarn Deutschland gelten müsse. Der schicksalschwere Fehler aus der Zeit der Weimarer Republik, diese Aufgabe den deutschen Demokraten allein als “innerdeutsche Angelegenheit“ zu überlassen, dürfe nicht noch einmal begangen werden. Selbstverständlich müsse bei den dänisch-deutschen Begegnungen in offener Aussprache erörtert werden, wie und warum der Nationalsozialismus in Deutschland zur Macht kommen und sich in all seiner Grausamkeit entfalten konnte. Warum die deutschen Demokraten sich nicht erfolgreich gegen den Ungeist und die Gewaltherrschaft behaupten konnten.

Mit diesen Argumenten, die später auch bei der ersten Begegnung eindeutig zur Sprache und Aussprache gebracht würden, gelang es unseren Freunden, die ersten etwa 30 Persönlichkeiten, die politisch und weltanschaulich aus den verschiedensten Lagern kamen, für die erste deutsch-dänische Begegnung im Februar 1949 zu gewinnen. Aus diesem Kreise verdient eine Persönlichkeit besonders hervorgehoben zu werden, nämlich die damalige Vorsitzende des Kopenhagener Lehrerinnenverbandes Disa Christjansen, die bei der Begegnung die Hauptsprecherin der Dänen wurde. Auch sie, die politisch aus dem Konservativen Lager kam, warb unter Einsatz ihres Ansehens und ihres Amtes erfolgreich für die Aufnahme dänisch-deutscher Gespräche über  Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Mir war es eine große Erfahrung, die Fäden zwischen diesen ersten Teilnehmern aus Dänemark und den Organisatoren in Deutschland in der Hand zu haben und bei der Begegnung die sprachlichen Schwierigkeiten überwinden zu helfen. Die erste deutsch-dänische Begegnung gehört zu den Höhepunkten meines Lebens.

Die große Aufgabe der Auswahl deutscher Teilnehmer, die Vorbereitung der zu behandelnden Themen und die Organisation lagen vor allem in den Händen von Walter Schulze, Willi Giesemann und Gustav Schultze-Altenhof. Letzterer waren im übrigen Flüchtling, Lehrer und eine wertvolle Stütze für Walter Schulze im Flüchtlingslager in Oxbol gewesen. Besonders wichtig war verständlicherweise die Auswahl der deutschen Teilnehmer. Hier konnte Walter Schulze u.a. auf Freunde aus der Zeit vor 1933, die mit ihm als Lehrer der Verfolgung durch den Nationalsozialismus ausgesetzt waren und die in den Jahren der Gewaltherrschaft in der “inneren Emigration“ als Demokraten “überwintert“ hatten, zurückgreifen. Ganz besonders lag es uns und den dänischen Freunden jedoch am Herzen, Teilnehmer aus der jungen Generation, der Junglehrerschaft, für die Begegnung zu gewinnen. Unsere Gespräche sollten sich ja nicht nur mit der Vergangenheit, sondern vor allem mit Gegenwart und Zukunft beschäftigen. Die getroffene Auswahl erwies sich dann erfreulicherweise als gelungen.

Ich erinnere mich besonders stark eines Junglehrers, der in tiefer innerer Erregung von dem Missbrauch des Idealismus junger Menschen durch den Nationalsozialismus und davon sprach, wie diesen verführten Jungen eine Welt zusammenbrach, als sie sich von den Verbrechen des NS überzeugen mussten. Sinngemäß sagte er:

Wir waren und sind verzweifelt darüber und über uns selbst, dass wir uns blenden ließen. Wir sind desillusioniert, bitter, skeptisch und misstrauisch… auch gegenüber dem Neuen! Wir wollen uns nicht noch einmal überreden lassen zu einer neuen “Lehre“. Wir bitten Euch, uns zu helfen, dass wir uns von der Richtigkeit, der Echtheit und von der Bewährung der Demokratie selbst überzeugen können.

Dieser Appell war für uns alle ein verpflichtender Mahnruf!

Hauptsprecher der deutschen Teilnehmer war Walter Schulze, der schon in seiner Begrüßung einen politischen und persönlichen Grundton anschlug, der weitgehend dem dänischen entsprach und daher auch eine offene Aussprache ermöglichte. Die Atmosphäre war in den ersten Tagen gespannt und sehr  ernst, lockerte sich aber, je besser wir uns kennen lernten. Entspannend  wirkten auch die freien Nachmittage, an denen wir zu Zweit oder in kleineren oder größeren Gruppen die hoch winterliche Landschaft genossen. Der beste Beweis dafür, dass die Begegnung gelungen war, ist darin zu sehen, dass uns unsere dänischen Freunde zu einer Fortsetzung unserer Gespräche nach Dänemark einluden, worauf es dann schon im September 1949 in Karsemose zu der zweiten Begegnung kam. Die Grundsteine waren gelegt.

 

Zur Person Karl Rowold

Er war mit einer der maßgebenden Pioniere des “Sonnenbergs“ auf dänischer Seite. Er wurde im Jahre 1911 in Oker/Harz geboren. Nach seiner Ausbildung in der Sozialversicherung und im Genossenschaftswesen hatte er leitende Funktionen in der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung im Freistaat Braunschweig inne. Im Jahre 1933 aus politischen Gründen im Zuchthaus Wolfenbüttel inhaftiert, emigrierte er nach seiner Freilassung Ende 1933 nach Dänemark. Während der Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen hielt er sich in Schweden auf.

Nach der Befreiung war er fünf Jahre lang deutscher Leiter der Bildungs- und Kulturarbeit in den deutschen Flüchtlingslagern in Dänemark, wo er mit Walter Schulze zusammentraf. Danach trat er in den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, war zunächst als Sozial-, Presse- und  Kulturreferent, als Botschaftsrat und schließlich als Botschafter in Dänemark, Schweden und Island bis 1974 tätig. Er lebte in Dänemark.[/vc_tta_section][vc_tta_section title=“1948 – 1951 Laßt uns einen neuen Anfang setzen“ tab_id=“1496310981548-a303724c-ab2e“][/vc_tta_section][vc_tta_section title=“1951-1952 …es begann mit einem Küchenherd“ tab_id=“1496314927731-0b2ae1fe-f4e9″]…es begann mit einem Küchenherd

 

Vom Schullandheim über die Kälberwiese nach Schweden (1951-1952) von Günter Wiemann

(Quelle: So begann es… – Aus der Frühzeit des Sonnenbergs; Herausgeber Internationales Haus Sonnenberg 1985)

Das Harzer Schullandheim der Wolfenbütteler Volksschule Wallstraße war in den “Gründerjahren“ des Sonnenbergs die zentrale Tagungsstätte. Dies war ein Haus mit einer sehr persönlichen, intimen Atmosphäre, aber eben funktionell nicht auf einen internationalen Tagungsbetrieb ausgelegt, von den Wohnverhältnissen einmal ganz abgesehen: Schlafzimmer für jeweils acht bis zehn Personen in zweistöckigen Jugendherbergsbetten….

So entstand sehr frühzeitig der Wunsch, für die Tagungsarbeit ein neues, eigenes Gebäude zu schaffen. Zunächst war daran gedacht, an der Südgrenze des Schullandheimes auf dem Hang des Sonnenberges zu bauen. Die Bauentwürfe und ein Modell wurden angefertigt sowie erste Verhandlungen mit der Forstverwaltung aufgenommen.

Zugleich gab es aber auch alternativ die Überlegung, die sogenannte “Kälberwiese“ der Stadt St. Andreasberg am Fußes des Rehbergs auf ihre Verwendung für das neue Haus zu prüfen. Diese Gemeindewiese war ein beliebter Zeltplatz für Jugendgruppen und Schulklassen. Die Tischler- und Stellmacherklassen der Berufsschule Wolfenbüttel hatten diesen Platz 1951 gleichsam “entdeckt“.

Die Vorteile lagen auf der Hand: Eine ebene Wiese in einer bezaubernden Bachlandschaft, gelegen an einer Wegespinne mit vielen Wandermöglichkeiten und in der Nähe der Stadt St. Andreasberg. Den Nachteil des neuen Standortes hat man dem damaligen Vorsitzenden des Internationalen Arbeitskreises Sonnenberg – Walter Schulze – lange verborgen halten können: Dieses Gebäude lag eben nicht am Fuße des “Großen Sonnenberges“ sondern am Rehberg. Zur Pflege der kurzen Tradition sollte der rein zufällig entstandene Name “Sonnenberg“ erhalten bleiben, weil damit symbolhaft die optimistisch verstandene Aufgabe verbunden war, einen Beitrag zur Friedenspolitik zu leisten. In der Tat kann man sich heute kaum vorstellen, wenn die Organisation Internationaler Arbeitskreis “Rehberg“ oder gar “Kälberwiese“ gehießen hätte. Auch Namen können Geschichte – so oder so – machen!

 

Susanne Karsch am Küchenherd auf der Kälberwiese südlich des Rehbergs

 

Die Verhandlungen mit der Stadt St. Andreasberg und dem um den Sonnenberg hochverdienten Bürgermeister Karl Neuse führten zum Ankauf der Kälberwiese, dem Standort des Hauses A. In einem weiteren Schritt wurde

das zweite Geländestück von einem Geschäftsmann aus St. Andreasberg erstanden, der heutige Standort des Hauses B und des Wohnheimes für die Mitarbeiter. In einem dritten Schritt wurde das Gelände südlich des Sonnenberger Grabens von der Staatlichen Forstverwaltung gekauft, heute der Standort der Sportanlagen und der Grillhütte.

Aus finanziellen, vor allem aber aus Gründen der Symbolhaftigkeit, sollten die ersten Arbeiten an dem Bauvorhaben von dem Internationalen Jugendgemeinschaftsdienst (IJGD) erbracht werden. Die Jugendlichen kamen aus vielen Ländern zusammen, um in gemeinnützigen Projekten zu arbeiten und zu lernen. Der Sonnenberg war 1951 in die Projektliste des IJGD aufgenommen worden.

Für die Unterbringung der Gruppen von jeweils 15 bis 20 Jugendlichen musste auf dem Gelände eine “Herberge“ geschaffen werden. Der Arbeitsdirektor der  Hüttenwerke Salzgitter Adolf Jungbluth schenkte dem IAS eine Holzbaracke, die im Werk während des Krieges von sogenannten Fremdarbeitern bewohnt worden war. Die Bauqualität war ziemlich schlecht. Immerhin ließ sich aus den brauchbaren Teilen etwas machen.

 (Tischlerklassen der Berufsschule Wolfenbüttel errichteten die erste Baracke)

 

Eine Tischlerklasse der Berufsschule Wolfenbüttel zerlegte die Baracke in ihre Einzelteile und verlud sie auf zwei Lastwagen. Am 30. April 1952 kamen diese Lastwagen und ein klappriger Bus mit den Schülern und Lehrern – am Torfhausberg und am Oderteich mussten alle aussteigen und schieben – auf der Wiese an. Man musste allerdings wegen der mangelnden Tragfähigkeit vor der “Steinernen Brücke“ des Sonnenberger Grabens anhalten und ausladen. Die Balken, Wand- und Dachelemente mussten auf den Bauplatz – heute Standort des Hauses F – geschleppt werden.

Pfadfinder aus Salzgitter hatten zwei große Zelte für die Übernachtung während der Bauzeit zur Verfügung gestellt. Die Finanzverwaltung Wolfenbüttel gab aus dem Wehrmachtsnachlaß einen wahrhaft monströsen Kochherd, der wie ein Denkmal als erstes Signal für den Baubeginn einsam auf der Wiese stand. So ist der Satz entstanden: “Es begann mit einem Küchenherd!“

Mitarbeiterinnen aus dem Sonnenberg-Büro – damals noch in Wolfenbüttel – und die Frauen der begleitenden Lehrer haben dieses “Monstrum“ in Gang gebracht und für die Baumannschaft gekocht. An dem frostigen 1. Mai 1952 begann auf der leicht verschneiten Wiese der Aufbau der Baracke. Die Baufirma Kasteinecke aus St. Andreasberg hatte die Fundamente vorbereitet. In zweieinhalb Tagen war das Gebäude bezugsfertig, einschließlich der Außenwaschanlage, die sich auf dem heutigen Kinderspielplatz zwischen Haus F und D befand.

Zwar war es gelungen, das Gebäude in kurzer Zeit halbwegs wohnfähig zu machen, aber nicht alles war fertig geworden. Vor allem waren die Fugen zwischen den Dachelementen nicht verklebt worden. Deshalb mussten die Betten jeweils unter ein Element gestellt werden, damit der durchrieselnde Regen nur in die Zwischenräume fiel.

Im Frühsommer 1952 fuhren dann zum Wochenende – nach dem achtstündigen Unterricht – an den Sonnabenden viele Tischlerlehrlinge mit ihren Fahrrädern auf den Sonnenberg, um das Haus endgültig wohnfähig zu machen. Immerhin hatte die Baracke zwei große Schlafzimmer für jeweils 15 Personen, eine Küche – mit dem ewig qualmenden Wehrmachts-Küchenherd – und einen Tagesraum von 60 Quadratmetern.

In das eigentlich noch nicht fertige Gebäude zogen schon in der folgenden Woche die ersten Jugendlichen des IJGD unter der Leitung von Susanne Karsch ein, um mit den ersten Arbeiten zu beginnen. Zunächst wurde der Zugangsweg von der Straße zum Gelände gebaut und später die Wasserleitung vom Sonnenberger Graben herangeführt. Die Anbindung erfolgte westlich der Straße Sonnenberg – St. Andreasberg. Die ersten Gruppen waren “bunt“ zusammengesetzt: Norweger, Dänen, Niederländer, Nordamerikaner, Australier und ganz exotisch ein Inder, der als Gandhianhänger nur mit selbstgesponnener und geschneiderter Kleidung arbeiten durfte, praktischerweise dann einfach im Schlafanzug.

Für die Tischlerlehrlinge, in ihrer Mehrheit Flüchtlinge, und die Lehrer, die gerade aus Krieg und Gefangenschaft heimgekehrt waren, war die Zusammenarbeit mit dieser Gruppe eine völlig neue Erfahrung – verständlich, dass diese Zeit für sie heute noch lebendig ist.

Das Engagement der Tischlerlehrlinge hat aber nicht nur zur Herrichtung des ersten, eigenen Sonnenberg-Hauses geführt, sondern auch die Jugendarbeit des IAS begründet. Die Klasse ist dann in den Sommerferien auf Einladung des Holzarbeiterverbandes mit ihren Fährrädern nach Schweden gereist, um dort Verbindungen herzustellen. Die vierwöchige Reise führte bis Stockholm. Auf den verschiedenen Reisestationen sind viele politische und persönliche  Kontakte entstanden, die die Sonnenberg-Arbeit lange Jahre bereichert haben. Einige der persönlichen Bindungen bestehen noch heute.

Es ist ein Verdienst der heutigen Sonnenberg-Generation, die Lehrlingstradition wieder belebt zu haben, der Bau des Grillhäuschens und des Wasserrades und die Gestaltung der mobilen Dolmetscheranlagen sind Beispiele dafür.

Außerdem ist im Zusammenhang mit den damaligen Initiativen auch der Tagungstyp “Internationale Berufspädagogik“ unter der Leitung des unvergessenen Heinrich Abel entstanden. Auch diese Tradition soll jetzt wieder aufgenommen werden: Im Jahre 1987 ist eine nächste Veranstaltung dieses Typs vorgesehen.

Zur Person Günter Wiemann

1922 geboren in Oker/Harz. Nach dem Studium, dass er 1945 begann, unterrichtete er als Gewerbeoberlehrer in Wolfenbüttel. Er baute danach ein Berufsschulzentrum in Salzgitter auf, dessen Leiter er bis zu seiner Berufungzum Professor für Sozialpädagogik an der Technischen Universität Hannover im Jahr 1973 wurde. Von 1974 bis 1979 war er als Ministerialdirigent im Niedersächsischen Kultusministeriums zuständig für die Berufliche Bildung. Seit 1979 war er Präsident des Niedersächsischen Landesinstituts für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung in Hildesheim.

Die Sonnenberg-Arbeit hat er seit ihren Anfängen als Referent und Leiter von Tagungen, Seminaren und Kursen, vor allem aber im Vorstand mitgestaltet. Ab 1971 war er Vorsitzender des deutschen Sonnenberg-Kreisese.V..

[/vc_tta_section][vc_tta_section title=“1953 Einweihung des Internationalen Haus Sonnenberg“ tab_id=“1496314960228-790bc03b-5b35″]

 

Einweihung des Internationalen Haus Sonnenberg

Ein Haus für die Erzieher und für die Jugend der Welt

(Quelle: Sonnenberg Briefe zur Völkerverständigung;5. Brief 1953; Walter Schulze)

 

Unsere Architekten hatten den Auftrag erhalten, ein wirklich “internationales“ Haus zu schaffen, ein Haus zur  Pflege der mitmenschlichen Beziehungen, das seine Gäste schon durch Gestalt und Gliederung zueinander führt. Prof. Otto Fiederling und Dipl.-Ing. Friedrich Lindau gebührt höchstes Lob für ihre künstlerische Leistung und für ihre ständige Bereitschaft, aus der Erfahrung bei internationalen Begegnungen  neue Impulse für die Vollendung ihres Werkes entgegenzunehmen.

(Bild: Modell des Hauses – Entwurf Architekten Prof. Fiederling u. Dipl. Ing. Friedrich Lindau von der Technischen Hochschule Hannover)

Das neue Haus in seiner schlichten Schönheit und Zweckmäßigkeit wird helfen, die internationale Arbeit des Sonnenberg-Kreises auszuweiten, vor allem für den Schüler- und Jugendaustausch. Jeder Luxus wurde vermieden, und dennoch macht es seinen Gästen den Aufenthalt angenehm.
….Erst wenn wir uns trotz aller Unterschiede in den Auffassungen zusammenfinden, wird deutlich, was uns verbindet: die gemeinsame Aufgabe am Menschen. Diesem Ziel soll das neue Sonnenberg-Haus dienen. In ihm sind alle willkommen, die Verantwortung tragen imöffentlichen Leben, in den Schulen und in den Jugendverbänden, Menschen aus allen Nationen und Rassen, ungeachtet der politischen und religiösen Überzeugung.
 
Die Architektonische Gestaltung
(Quelle: Sonnenberg Briefe zur Völkerverständigung; 5. Brief 1953; Architekt Dipl.-Ing. Friedrich Lindau)
 

Die Wiese zwischen den Ausläufern des Rehbergs und dem Sonnenberger Graben kennzeichnen die Horizontalen des Bachlaufs, des Waldrandes und der Baumkronen; diese Linienführung muss das Haus, das zwischen sie gestellt wird, aufnehmen, will es ein Teil des Ganzen sein und die Harmonie nicht stören.

Die Stellung des Gebäudes im nördlichen Teil des Grundstücks belässt nach Norden den kleinen Freiplatz für Ankunft und Abfahrt, nach Süden die große Wiese für Spiel und Diskussionen im Freien. Die Südfassade lässt durch das Vor und Zurück von Wandteilen der Sonne mit Licht und Schatten freies Spiel. Große Glasflächen bringen die Verbindung zwischen Innen- und Außenraum.

Im Bettenhaus sind entsprechend der Ost-West-Lage des Gebäudes sämtliche Bettenzimmer nach Süden gelegen. Es umfasst Einzel- und Doppelzimmer, hauptsächlich aber Zimmer mit fünf oder sechs Betten. Eine Loggia als Austritt ist vorgelagert, von der der Blick über die vorgelagerte Wiese und den Sonnenberger Graben bis zur Jordanshöhe reicht. Jedes Zimmer ist durch unterschiedliche Tapeten-, Farb- und Möbelauswahl vom benachbarten differenziert. Insgesamt verfügt das Haus über 105 Betten.

In der großen Halle führt eine frei in den Raum gestellte Treppe in das Obergeschoß, wo an einem Stichflur zwei Gruppenräume (Braunschweig-Zimmer und Karsemose-Zimmer), ein Lesezimmer mit Bücherei sowie der großeTagungs- und Speiseraum (für etwa 100 Personen) gelegen sind. An der Halle liegen im Erdgeschoß das Büro, der Zugang nach zwei Werkräumen, einem Vortrags- (Musik-) Zimmer und einem Diskussionsraum.

 

 

Ein Skiabstellraum (Waschküche), die Küche, Vorratsräume, Heizung und die Wohnung der Heimleiterin und des Hausmeisters sind durch Sondereingang- und treppe direkt zu erreichen. Der Haupteingang grenzt nicht ab, sondern bleibt durch leichte Sprossen- und Glasfüllung offen – allen, die den Geist des Hauses bejahen.

Das Internationale Haus Sonnenberg wurde eröffnet (Quelle: Sonnenberg Briefe zur Völkerverständigung;6. Brief 1954; Walter Schulze)

Am 26. September 1953 übergab der Architekt Walter Schulze, dem Leiter des Arbeitskreises, den Schlüssel zum Internationalen Haus Sonnenberg. Jahre der mühevollen Vorbereitung und der Aufbauarbeit wurden mit diesem Neubau abgeschlossen. Das große Echo der Sonnenberg-Arbeit in Deutschland und in vielen Ländern der freien Welt wurde bei den Eröffnungsfeiern am 26. und 27. September durch die Worte namhafter Persönlichkeiten des pädagogischen und politischen Lebens bestätigt. Aus fast allen Ländern, die mit dem Internationalen Arbeitskreis Sonnenberg seit Jahren in Kontakt stehen, waren Delegationen erschienen. Aus Frankreich, England, Belgien, Holland, Luxemburg, Österreich, Schweiz und aus den skandinavischen Ländern. Grußadressen trafen aus den USA, Japan, Jugoslawien und aus Finnland ein. Die deutsche Lehrerschaft wie die großen internationalen Lehrerverbände waren durch ihre Vorsitzenden und Präsidenten vertreten, ferner die Regierungsstellen in Bonn, Hannover und Braunschweig. An dem Kreis der Gäste der Eröffnungstage zeigte sich deutlich, dass sich in der Sonnenberg-Arbeit nicht allein die Erzieher von hüben und drüben zusammenfinden, sondern dass auch Männer und Frauen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens den gleichen Anteil daran haben: Menschen, die nach den Erfahrungen zweier Weltkriege Wege der Verständigung suchen, Menschen, die die Realität des Völkerlebens kennen und gerade deshalb den Mut haben und die Verpflichtung fühlen, durch ihr verantwortliches Handeln in der Politik und in der Erziehung eine Gesundung der internationalen Beziehungen herbeizuführen.
 

„Es gibt viele gute internationale Tagungen. Aber wenige sind so echte „Begegnungen“ wie die, welche sich auf dem Sonnenberg herausgebildet haben. Darum hoffen wir, dass es dem Sonnenberg-Kreis gelingen möge, auch

äußerlich eine bleibende und würdige Stätte für diese Begegnungen zu schaffen.“ Diese Hoffnung hatte Dr. Elisabeth Rotten, die Vizepräsidentin des Weltbundes für Erneuerung der Erziehung, im August 1952 ausgesprochen. Bereits ein Jahr darauf war das Internationale Haus Sonnenberg Wirklichkeit. Die Arbeit kann nun in noch größerem Rahmen durchgeführt werden, wie es die Freunde des Sonnenbergs so oft gewünscht hatten. Der Internationale Arbeitskreis Sonnenberg empfindet es als ein gutes und für die Arbeit in diesem Hause glückhaftes Zeichen, dass Hilfe und Spenden für den Neubau von solchen Persönlichkeiten und Gruppen kamen, die nicht nur materielle Unterstützung zu geben vermochten, sondern auch ideell mit den Aufgaben verbunden sind, die sich der Sonnenberg-Kreis setzte. Ihnen allen, den Männern und Frauen der Lehrerschaft, den Verantwortlichen und Verantwortungsfreudigen in den Verbänden, Organisationen und Ministerien, nicht zuletzt aber den vielen Freunden aus anderen Nationen sei hier ein Wort des herzlichen Dankes gesagt. Die Dankestat aber sei eine verstärkte Arbeit an den realen Aufgaben der Verständigung.

[/vc_tta_section][vc_tta_section title=“1954 1. Internationale Jugendtagung“ tab_id=“1496316329772-12b96553-7841″]

 

1. Internationale Jugendtagung auf dem Sonnenberg vom 19.01.-01.02.1954

Der Internationale Arbeitskreis Sonnenberg veranstaltete vom 19.01. bis zum 01.02.1954 die erste internationale Jugendtagung im Internationalen Haus Sonnenberg. An ihr nahmen Gäste aus Holland, England und Dänemark, eine Gruppe aus Berlin und Jugendliche aus Hannover und Helmstedt teil. Die gemeinsame Leitung hatten Gerhard Merzyn, der Vorsitzende des Jugendforums Hannover und Hans Lindemann, der Jugendreferent des Sonnenberg-Kreises.

Auszüge aus dem Bericht zweier Jungarbeiter der Braunschweigischen Kohlenbergwerke

(Quelle: Sonnenberg Briefe zur Völkerverständigung;6. Brief 1954):

“Sechs Jungen unserer Lehrwerkstatt und Bergberufsschule hatten das Glück, an der ersten internationalen Jugendtagung auf dem Sonnenberg teilnehmen zu können.

Zweck dieser Tagung war, dass zuerst einmal Mensch zum Menschen fand. Darüber hinaus sollten wir die Sitten und Gebräuche, die Probleme und Anschauungen der an deren Völker kennen lernen.

Die Freizeit gestalteten wir selbst. Der Vormittag war mit Referaten und Diskussionen ausgefüllt, darunter die folgenden Themen: “Jugend in aller Welt“, “Deutschland heute“, “Wald und Jugend“, “Berlin heute“, “Dänemark, Holland, England“, “EVG und Europa“ und “Zonengrenzgebiet Kreis Helmstedt“.

Waren unsere Meinungen oft auch gegensätzlich und haperte es hier und damit der Sprache, so haben wir doch versucht, den anderen verstehen zu lernen, nicht nur sprachlich. Wir sprachen eigentlich über alles, was uns bewegte. Über Politik, Kultur, Beruf…Diese Unterhaltungen trugen stark dazu bei, dass wir uns am Schluss der Begegnung als Gemeinschaft fühlten. Das Menschliche hatte gesiegt über alle Vorurteile.

 

Diese Tage werden wir nie vergessen. Wir erlebten, dass es dort, wo sich junge Menschen verstehend begegnen, keine nationalen Schranken gibt, und wir sind voller Freude, einen Weg zu wissen, der zum Verstehen der Völker untereinander führt.“

 
(Bild: Holländische „Meisjes“ mit deutschen Jungens)

 

Auszüge aus dem Bericht des holländischen Studenten, Robbie Koppert aus Utrecht

(Quelle: Sonnenberg Briefe zur Völkerverständigung; 7. Brief September 1954):

“Am Montag, dem 18. Januar reiste die holländische Delegation, bestehend aus 12 Studenten und einem Leiter aus Utrecht ab. Ihr Ziel war das HausSonnenberg im Oberharz. Hier sollte eine internationale Tagung stattfinden, die es sich als Ziel gesetzt hatte, die Beziehungen zwischen Deutschland und den von ihm im Kriege besetzten Ländern zu bessern.

……da lag plötzlich das Haus Sonnenberg, und mit den strahlenden Lichtern aus den Fenstern sah es aus wie ein Ozeandampfer auf weißen Wellen. Die Begegnung mit der schon anwesenden Jugend wird mir immer in Erinnerung bleiben. Eine ausgelassene Berliner Gruppe begrüßte uns so spontan, dass man gar nicht wusste, was zu tun sei. Beim Begrüßungsabend muss es für viele ein großer Augenblick gewesen sein, Mädchen und Jungen aus vier verschiedenen Ländern zusammenzusehen, jeder mit dem Willen, zum Gelingen der Begegnung beizutragen.

In dem Programm, das ganz aus der Tagung heraus gestaltet wurde, wurde ein wunderschöner Gleichklang erreicht zwischen anstrengender Arbeit und Entspannung. Während morgens Vorträge und Diskussionen stattfanden, warder Nachmittag frei zum Skilaufen, und beim Einbruch der Dunkelheitsaßen wir in der Bibliothek, lasen oder plauderten und hatten gar keine Zeit, über all das Schöne nach Hause zu schreiben. Der Abend verlief meistens mit Volkstänzen und dem Singen fröhlicher Lieder.

Bild: Robby Koppert, Ton v.d. Brink, Dijn de Vries, Ditte de Boer, Doris Bartholdy)

 …und so ist aufrichtige Freundschaft entstanden zwischen Jungen und Mädchen, deren Eltern feindselig gegeneinander gestanden haben. Das Gefühl, dass es keinen grundsätzlichen Unterschied gibt zwischen jungen Menschen verschiedener Nationen, das halte ich für den größten Gewinn derartiger Tagungen, wie sie nun im Internationalen Hause Sonnenberg zum ersten Male stattgefunden haben.“Auszüge aus dem Bericht der holländischen Studentin, Ditte de Boer aus Zeist

(Quelle: Sonnenberg Briefe zur Völkerverständigung; 7. Brief September 1954):

“Der Eindruck, den wir bekamen, als wir zum ersten Mal das Haus Sonnenberg betraten, war in einem Wort:

phantastisch. Dieses betraf sowohl das Haus selber wie die Einrichtung und die schöne Lage.

Den Eindruck, den wir nach Hause mitnahmen, war ergreifend und überwältigend. In nur vierzehn Tagen war ein Band gewachsen zwischen englischen, dänischen, deutschen und holländischen Jungen und Mädeln, wofür sonst vielleicht viele Jahre nötig gewesen wären. Diese Begegnung ist für uns ein wunderschönes Erlebnis gewesen und wir danken von ganzem Herzen dem Internationalen Arbeitskreis Sonnenberg, dass er uns diese Gelegenheit geboten hat.“[/vc_tta_section][/vc_tta_accordion]Laßt uns einen neuen Anfang setzen

Zitate aus: Erste Schritte in Wolfenbüttel und im Harz (1948-1951) von Willi Giesemann

(Quelle: So begann es…  Aus der Frühzeit des Sonnenbergs; Herausgeber Internationales Haus Sonnenberg 1985).

In den ersten Septembertagen des Jahres 1948 begannen wir mit Schwung, Ausdauer und großem Optimismus die organisatorischen Vorbereitungen für die Anfang Februar 1949 geplante erste deutsch-dänische Pädagogen-Tagung auf dem Sonnenberg.

Drei glückliche Umstände verhalfen uns zu einem hoffnungsvollen Start:

  1.  Walter Schulze, als “Hausherr“ des Schullandheimes auf dem Sonnenberg, konnte mit Zustimmung des Schulvereins der Volksschule an der Wallstraße für die geplante Februartagung 1949 die “Barbara-Hütte“ als Unterkunftsstätte zur Verfügung stellen.
  2.  In die damals nach der Währungsreform vorherrschenden schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse konnte ich für die beginnende organisatorische Arbeit zwei wichtige Vorraussetzungen einbringen: ein Damenfahrrad und eine Olivetti-Schreibmaschine.
  3.  In der Vorsitzenden der dänischen Lehrerinnen-Gewerkschaft, Oberlehrerin Disa Christjansen, und dem Schatzmeister der der dänischen Lehrergewerkschaft, K. B. Larsen, Kopenhagen, hatten wir die ideellen Partner gefunden, die in Verbindung mit Karl Rowold mit gleicher Intensität wie wir die organisatorischen Vorraussetzungen für eine Tagung in Deutschland schufen, um Verständigung zu ermöglichen und gemeinsame berufliche Aufgaben im Gespräch miteinander zu erörtern.
Vorbereitung der ersten Sonnenberg-Tagung 01.02.-10.02.1949

Im letzten Vierteljahr des Jahres 1948 fuhr ich fast jeden Tag bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad die sieben Kilometer von Groß-Denkte nach Wolfenbüttel zur Wohnung der Familie Schulze. Mit der Idee der internationalen Verständigung der Lehrerschaft und den Begegnungen von Mensch zu Mensch hatte mich Walter Schulze so begeistert, dass ich gar nicht merkte, wie maßlos er in seinen Arbeitsanforderungen – auch an sich selbst – war. Nicht ohne Grund wurden während dieser und der folgenden Zeit Inge Schulze und Lotte Giesemann als “Sonnenberg-Witwen“ apostrophiert.

Im Arbeitszimmer von Walter Schulze, das durch die bis an die Decke mit Büchern gefüllten Regale einer kleinen Bibliothek glich, versorgte uns Inge Schulze manchesmal mit einer guten Tasse Kaffee. Zu dieser Tischrunde gehörten Oma Klärchen, die Mutter Walter Schulzes und seine vier Kinder Karin, Heidi, Ingo und Heiner.

Danach stürzten wir uns in die organisatorische Arbeit. Walter und ich besprachen den für die geplante erste deutsch-dänische Lehrertagung erforderlichen Schriftverkehr (Einladungen an die deutschen Teilnehmer, Suche nach Referenten und deren Themen, Ermittlung der Eisenbahn- und Busanschlüsse, Besorgungen der Quartiere in der Skihütte am Oderteich, Freistellung des Gastraumes in der Oderteich-Schänke für die abendlichen Vorträge und Diskussionen, Besorgung von Schneeschuhen etc.). Ich notierte die Absprachen und tippte am Abend daheim im Schulhaus Groß-Denkte auf der Schreibmaschine die Korrespondenz, die ich Walter am folgenden Tag zur Unterschrift brachte.

Die zur Finanzierung der Tagung notwendigen Gespräche wurden in Braunschweig mit den Vertretern des GBL

(Gesamtverband Braunschweigischer Lehrer), Prof. Rodenstein und dem ADLLV (Allgemeiner Deutscher Lehrer- und Lehrerinnen-Verband), Rektor Richard Oberbeck, geführt.

Auf dänischer Seite erledigten Karl Rowold und Disa Christjansen in Kopenhagen den erforderlichen Schriftverkehr.

Und so lief die erste Sonnenberg-Tagung

An einem schneereichen Wintertag – Dienstag, 1. Februar 1949 – reisten aus Dänemark 22 Lehrerinnen und Lehrer und 30 deutsche Lehrkräfte, darunter 10 Junglehrer, zum ersten deutsch-dänischen Treffen an. Am Bahnhof in Bad Harzburg in Empfang genommen, ging es mit dem Post-Linienbus in Richtung Braunlage bis zur Abzweigung Oderteich und weiter wieder hinauf zum Schullandheim Sonnenberg.

(Bild: Postkarte vom Schullandheim Haus Sonnenberg)

 

Da nur 25 Teilnehmer in diesem Haus untergebracht werden konnten, musste die andere Hälfte der Teilnehmer (Dänen und Deutsche) in einer behelfsmäßigen Skihütte am Oderteich nächtigen. Ohne Wasseranschluß und ohne elektrisches Licht ging man spätabends bei Kerzenschein zu Bett. Am nächsten Morgen wurde eine Schüssel Schnee zum Waschen aufgetaut.

Der Ablauf eines Tages verlief wie folgt: Morgens marschierten zu Fuß oder auf Skiern die Oderteich-“Insassen“ zum Frühstück hinauf zum Schullandheim; anschließend hörten sie im sehr beengten kleinen Aufenthaltsraum das Referat und diskutierten. Nach der Einnahme des Mittagessens war frei (schon damals!). Man unternahm Spaziergänge zu Fuß oder auf Skiern. Nach dem Abendbrot marschierten alle Tagungsteilnehmer zur Gaststätte am Oderteich, wo im Gastzimmer bei Petroleumlampenschein referiert und diskutiert wurde. Die im Schullandheim untergebrachten Tagungsteilnehmer wanderten gruppenweise diskutierend gegen Mitternacht wieder hinauf zu ihrer Schlafstätte im Schullandheim.

Der weitere Verlauf der ersten deutsch-dänischen Sonnenberg-Tagung ist durch Veröffentlichungen in den Sonnenberg-Briefen hinreichend bekannt.

Vorbereitungen zur ersten Auslandstagung in Dänemark

Am Sonnabend, dem 09. April 1949, trafen sich die deutschen Teilnehmer der Februar-Tagung, um die für die Herbstferien 1949 vorgesehene erste Auslandstagung der Sonnenberger in Dänemark in Karsemose zu besprechen.

Die Auswertungen des Verlaufs der ersten Tagung mit deutschen und dänischen Lehrkräften nach dem Zweiten Weltkrieg im Schullandheim der Volksschule Wallstraße auf dem Sonnenberg ergab ein recht positives Ergebnis, da offen und ehrlich über die politischen, pädagogischen und schulpädagogischen Probleme beider Länder gesprochen wurde.

Die einhellige Zustimmung zur Fortsetzung der völkerverbindenden Arbeit wirkte sich auch positiv auf die organisatorische Arbeit aus, da sich eine Reihe von Kollegen als ehrenamtliche Mitarbeiter zur Verfügung stellten.

Die Erledigung des immer umfangreicher werdenden Schriftverkehrs verlagerte sich vom Schulhaus in Groß-Denkte in die Wohnung von Walter Schulze.

Die positive Einstellung zur Sonnenberg-Arbeit beider Regierung in Braunschweig und in Hannover sowie bei den Bundesbehörden in Bonn begann sich finanziell auszuwirken. Am 20. August 1951 konnte Fräulein Sigrid Schade als Sekretärin eingestellt werden, und der erste Sonnenberg-Brief konnte im Dezember 1951 erscheinen.

Die Aufgabe der Arbeitsstelle für internationalen Austausch (Afi)

Die Arbeitsstelle für internationalen Austausch war bis zur Gründung des “Internationalen Arbeitskreises Sonnenberg (IAS)“am 13. November 1951 zum großen Teil das organisatorische und finanzielle Rückgrat der Sonnenberg-Arbeit.

Die Afi sollte in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Landesbehörde ihrer Aufgabe besonders auf folgende Weise dienen:

  1. Förderung internationaler Tagungen und Begegnungen, Werbung in den Landesbehörden für die Beteiligung an diesen Tagungen durch Vorträge, Vermittlung von Publikationen usw.
  2. Auswahl und Entsendung von Kollegen zu Sonnenberg-Tagungen, anderen internationalen Tagungen sowie Tagungen im Ausland.
  3. Einwerbung finanzieller Unterstützung zum Besuch der Tagungen bei Verbänden und Behörden.
  4. Schaffung der Voraussetzungen für die Erteilung von Urlaub zum Besuch der Tagungen, z.B. durch Anerkennung der Veranstaltungen als Lehrerfortbildungstagungen usw.

Für die Sonnenberg-Arbeit konnte so die Kooperation mit der wichtigsten Lehrerorganisation gesichert, für die ADLLV, aus der bald die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wurde, konnte die internationale Erfahrung des IAS genutzt werden.

Zur Person Willi Giesemann

Willi Giesemann hat, bevor er das Lehrer-Studium aufnahm und ab 1947 Lehrer, später Schulleiter und – bis zu seiner Pensionierung – Konrektor an einer Wolfenbütteler Grund- und Hauptschule wurde, zwölf Jahre als Schriftsetzer gearbeitet. Er stammt aus Schlesien, wo er im Jahre 1912 geboren wurde.

Dem “Sonnenberg“ trat er unmittelbar nach Gründung bei und wurde Mitglied Nr. 1. Zunächst wirkte er im Vorstand mit und als Schatzmeister, danach  verwaltete er viele Jahre die Finanzen der International Sonnenberg Association (ISA). Er gehörte sowohl dem Prüfungsausschuß des Sonnenberg-Kreises an, als auch dem der ISA.